Internationale SommerFestspiele Bensheim Auerbach

Notizen zum Bensheimer Marktplatz: Kultur, Gastronomie, Grün, Aufenthaltsqualität, kommunikativer Treff, Multifunktionsfläche ...

Von Klaus P. Becker / 2. Update 12./15. September 2023

Mit dem unverbauten Blick auf die imposante Kulisse von St. Georg „atmet“ der Bensheimer Marktplatz wieder und hat eine einzigartige Aura, die geradezu nach Kultur „schreit“. Ein atmosphärisches Alleinstellungsmerkmal, das imagebildend und gewinnbringend auch mit Außenwirkung für Bensheim eingebracht werden kann, wenn das hier schlummernde Potential professionell ausgeschöpft wird: Inhaltlich und kommunikativ (Stadtmarketing).

Voraussetzung für eine nachhaltige Entscheidungsfindung in Sachen Marktplatz ist zunächst die Unvoreingenommenheit gegenüber der von einigen Kreisen in der Vergangenheit geradezu ideologisch verbrämt vorgetragenen Festlegung, wonach nur ein gastronomischer Frequenzbringer als alleiniger Heilsbringer in einem neuen Haus am Markt offenbar alle Probleme der Innenstadt lösen soll.

Bei realistischer Einschätzung ist schwer vorstellbar, daß ein wie auch immer geartetes und genutztes neues Haus am Markt in Bensheim auch nur einen einzigen Leerstand beheben würde. Erfahrungswerte liegen doch schon vor: Gastronomie gab es dort schon lange Jahre und auch andere Frequenzbringer, wie die Stadtbibliothek, Tourist-Info oder VHS mit Seminarräumen.

Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen

Von Innenstadtsterben sind viele Kommunen betroffen, das ist kein spezielles Problem nur in Bensheim. Der Handel als einst dominierende Funktion verliert schon länger an Bedeutung. Das Rad lässt sich nicht einfallslos mit noch mehr Beton zurückdrehen. Die Zukunft der Innenstädte darf sich nicht an vergangenen Konzepten ausrichten. Innenstädte brauchen heute Anlässe zur Begegnung und emotional aufgeladene Erlebnisqualität über das Einkaufen hinaus.


„Es geht nicht darum, die Innenstadt aus dem Jahr 2010 wieder herzustellen, es geht auch nicht darum, die City von 2020 zu retten, es geht vielmehr darum, die Stadt von 2025/30 zu gestalten. Damit wieder Leben in unsere Innenstädte einkehrt, brauchen wir Anlässe für Begegnungen, attraktive Freizeitangebote, die Möglichkeit, Kultur zu erleben und Gemeinschaft zu spüren.“
Jürgen Block, Geschäftsführer Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing (BCSD) anläßlich Tagung 20. April 2021


Der Tenor dieses Zitats ist unter Fachleuten inzwischen Allgemeingut und es ließen sich viele weitere gleichlautende Aussagen von Experten und Vertretern der IHK zitieren.

Ein belebter Marktplatz allein ist kein Mehrwert an sich
Wenn einige Akteure auf der kommunalen Bühne immer nur von einer dringend gebotenen „Belebung“ des Marktplatzes reden,, engt das den Blick und die Herangehensweise sehr ein, denn gemeint ist doch eher immer vor allem das Ziel, dem Innenstadtsterben entgegenzuwirken und den Einzelhandel zu stärken.

Eine nachhaltige „Belebung“ ist keine Frage der Quantität, etwa derart, daß da unablässig den ganzen Tag über bis in den Abend einige hundert Personen über den Marktplatz hinauf in einen neuen Gastronomiebetrieb strömen. Ein derart allein quantitativ „belebter“ Marktplatz ist kein Mehrwert an sich.

Eine nachhaltige, substanzielle „Belebung“ muss vielmehr eine Frage der Qualität sein.

Vielleicht kann es helfen, zunächst einmal beide Problemlösungen -Gestaltung oberer Marktplatz und Innenstadtbelebung/ Stärkung

Einzelhandel - strikt zu trennen, bevor man die Ergebnisse sich wechselseitig befruchtend wieder zusammenführt.

Wenn man die hinderliche Zwangsvorstellung von der quantitativen „Belebung“ außen vorlässt und sich unvoreingenommen nur der ursächlichen Aufgabe zuwendet, dann geht es zunächst um eine städtebaulich, architektonisch und atmosphärisch ansprechende Lösung für die Gestaltung des oberen Marktplatzes.

Alte Argumente überzeugen nicht
Das in der Öffentlichkeit bereits diskutierte Argument, daß der Marktplatz einen baulichen Abschluss haben muss, überzeugt nicht. Abschluss ist die imposante Fassade von St. Georg. Ohne diesen „Schorschblick“ würde der Marktplatz an Atmosphäre und Flair verlieren. Die jetzigen baulichen Proportionen stimmen, die bestehende Mauer gleicht sich völlig stimmig an die Fassade von St. Georg an und ist optisch nicht etwa ein störender Fremdkörper. Es besteht keine Not für ein neues Gebäude.

Auch in anderen Orten gibt es historisch gewachsene Marktplätze, bei denen die Kirche den Abschluss bildet.

Auch das weitere Argument, daß da historisch schon immer ein Gebäude gestanden hat (das alte Rathaus), überzeugt nicht. Aktuell gibt es eine völlig andere Ausgangslage: Die alte Kirche der Vorkriegszeit mit dem einen schlanken Spitzturm hatte einen völlig anderen, unauffälligeren baulichen Charakter, von dem heute keiner als "Schorschblick" reden würde. Erst die Nachkriegskirche mit den beiden Türmen und der monumentalen Fassade hat dem Marktplatz diese besondere Aura verliehen, die heute ein Gebäude davor entbehrlich macht.

Das rein quantitative Argument, daß da ein „brummender“ Gastronomie-betrieb als ausgesprochener Frequenzbringer stehen muss, der auch abends Leben in die Stadt bringt, lässt außer acht, daß abends die Geschäftswelt in der Innenstadt nichts davon hat, aber mehr Autoverkehr in die Stadt gelenkt wird. Zudem könnten sich andere Problemfelder auftun, die man im Moment noch gar nicht hat, wie Lärmbelästigung für Anwohner, auch an anderen Stellen der Stadt im Zuge von An- und Abreise.

Kleinteilige Gastronomieszene bringt mehr Dynamik
Gegenüber einem gastronomischen Großprojekt, das in der Innenstadt auch einen schädlichen Verdrängungswettbewerb auslösen könnte, bringt eine eher kleinteilig über die Innenstadt verteilte Gastronomieszene, die es in Bensheim bereits gibt und behutsam - auch mit ausgesprochenen Spezialitäten –und Nischenanbietern - weiterentwickelt werden kann, eine viel größere Dynamik in die Stadt, als die Konzentration an einer Stelle.

Bensheim hat auch jetzt schon eine vielfältige Innenstadt-Gastronomie auch mit Außenbewirtschaftung im Sommer vom Walderdorffer Hof und der Stadtmühle bis zur unteren Fußgängerzone, vom Griechen bis zum Italiener und Inder. Zudem die vielen Eiscafes und Bäcker mit Kaffeebewirtschaftung oder die Sommerbewirtschaftung im Klostergarten des Franziskushaus in der Klostergasse.

Nicht zu vergessen die vielen Imbisse mit Döner, Asia-Food, Pizza usw.; auch gibt es auf dem Marktplatz bereits die Bewirtschaftung der Kaffeerösterei und den neuen Betrieb im ehemaligen Anwesen Böhler, dem mit einer sehr individuellen Note viel Potential zugetraut werden kann.

Wer soll denn den vielen Kaffee „saufen“?
Wer soll denn den vielen Kaffee in Bensheim „saufen“, der dann mit einem neuen Großprojekt am oberen Marktplatz angeboten würde? Man muss auch immer abwägen: Macht in dieser Verdichtung ein neuer Betrieb auf, macht ein anderer zu?

Auch die eher als romantische Wunschvorstellung zu bewertende Vorstellung mit einem eingeschossigen Gebäude mit Dachterrasse dürfte nicht zu Ende gedacht sein: Zum einen optisch gewagt, wenn etwa im Sommer vor der sakralen Kulisse von St. Georg ein Meer von Gastro-Sonnenschirmen aufgereiht das Bild bestimmt. Zum anderen logistisch nicht vorstellbar:

Das Servicepersonal müsste aus der Basis im Erdgeschoss ständig treppauf treppab den Service auf der Terrasse bewältigen. Welcher Gastronom lässt sich auf so etwas ein?

Und wie bitte soll sich denn ein solcher Flachbau von den Proportionen stimmig in das gesamte historische Marktplatz-Ensemble einfügen? Die Option „eingeschossig“ scheint mir eine Phantomdiskussion zu sein und würde wohl eher als das Pförtnerhäuschen von St. Georg in die Stadtgeschichte eingehen.

Gesamtkonzept zwingend geboten
Bevor eine abschließende Entscheidung für ein mögliches neues Gebäude getroffen werden kann ist es professionell zwingend geboten, ein Gesamtkonzept für den gesamten Marktplatz vor allen Dingen unter Einbeziehung des ehemaligen Kaufhaus Krämer und der unter Denkmalschutz stehenden sanierungsbedürftigen exponierten Häuser Marktplatz 2 und 3 zu entwickeln, die derzeit zum Verkauf stehen.

Alles andere wäre höchst unprofessionell, fahrlässig, nicht vermittelbar und würde für die nächste Empörungswelle der Bürgerschaft in Bensheim sorgen, wenn man übereilt und zu kurz gedacht den zweiten vor dem ersten Schritt machen würde.

Strategischer Hotspot mit Publikumsströmen aus drei Richtungen
Das ehemalige Kaufhaus Krämer "schreit" geradezu nach Gastronomie mit Außenbewirtschaftung im Sommer ausgesprochen exponiert über Eck Bahnhof-/ Hauptstraße, wo aus nördlicher und südlicher Hauptstraße, sowie der Bahnhofstraße - den wichtigsten Achsen für Fußgänger in die Innenstadt - starke Publikumsströme aus gleich drei Richtungen zusammentreffen. Nimmt man den Publikumsstrom aus dem Parkhaus hinter der Kirche über den Markplatz hinzu, sind es vier Achsen und Publikumsströme.

Eine Topp-Lage für Gastronomie
Eine Topp-Lage für Gastronomie ersatzweise mit dem Potential für den gewünschten Frequenzbringer, der am oberen Marktplatz in der Diskussion steht. Auch das Innere des ehemaligen Kaufhaus Krämer mit der repräsentativen Treppe bietet Gestaltungsmöglichkeiten für ein Topp-Restaurant auch mit Flächen für Banketträume im Obergeschoss.

Ebenso ist die gegenüberliegende Ecke und Nordflanke Marktplatz 2 und 3 mit einer ergänzend alternativen gastronomischen Ausrichtung denkbar, etwa als Bergsträsser Weinstube, ebenfalls mit Außenbewirtschaftung oder/ und mit einem ausgesprochenen Spezialitäten- und Nischenanbieter wie etwa das ehemalige „Petite France“ von Guy Bastian (früher Wirt im Bacchus Keller).

Aus allen drei Objekten ließe sich auch eine primär anzustrebende Außenbewirtschaftung vor und um den den Marktbrunnen umsetzen.

Ein strategischer Hotspot für die Stadtentwicklung, der bisher zumindest in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht thematisiert wurde.

Der Marktplatz muss von unten nach oben gedacht werden.

Rund um den Marktbrunnen: Der Hotspot in Bensheim

Ein solches Marktplatz-Idyll mit einer Bewirtschaftung im Sommer rund um den Marktbrunnen unter den schattigen Bäumen, wo man schon beim flanieren von ganz alleine gerne hängenbleibt, hat Potential als der sommerliche Hotspot in Bensheim und als der gewünschte Frequenzbringer für die Innenstadt im Gegensatz zum eher abgelegenen, verdeckten oberen Marktplatz.

Im Gegensatz zum oberen Marktplatz würde sich am unteren und mittleren Marktplatz und um den Brunnen eine sehr viel vitalere Szene entwickeln können, wenn hier im Sommer Außenbewirtschaftung angeboten würde, gegebenenfalls auch von mehreren neuen Betrieben (Krämer/ Marktplatz 2 und/ oder 3). Auch die Gastronomieszene am Hospitalbrunnen wird von mehreren, unterschiedlich ausgerichteten Betrieben bestimmt.

Ein namhafter Bergsträßer Gastronom, der bereits sehr erfolgreich mehrere Betriebe in unterschiedlichen Orten betreibt und sich seinerzeit eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, meinte bereits zutreffend „die Musik spielt unten“ für ein wirtschaftlich tragfähiges Projekt, allenfalls noch in den Häuserzeilen des mittleren Marktplatzes, aber niemals oben. Für eine zu favorisierende Außenbewirtschaftung vor und um den Brunnen wären auch die Servicewege aus einem Betrieb am oberen Marktplatz viel zu weit.

Renditenstarke Investition
Die Objekte Marktplatz 2 und 3 würden alternativ, falls nicht vollständig gastronomisch genutzt, im Erdgeschoss auch als Tourist-Info gut anstehen, die unter touristischem Aspekt in diesen historischen Fachwerk-Gebäuden an exponierter Stelle (s. Publikumsströme aus drei Richtungen) dann in einem strategisch sehr viel vorteilhafteren und repräsentativeren Ambiente angesiedelt wäre als derzeit.

Langfristig betrachtet kann ein käuflicher Erwerb dieser Immobilien durch Stadt/ MEGB eine in jeder Beziehung renditestärkere Investition sein, als jeder Neubau am oberen Marktplatz: Städtebaulich, emotional und identitätsstiftend, aber auch wirtschaftlich durch Mieteinnahmen, seien es in den oberen Etagen Büros, Praxen oder Wohnraum (bevor der nächste Handy-Laden dort aufmacht).

Solange keine abschließende Sicherheit über die künftige Nutzung beider Objekte besteht - das Objekt Krämer ist bekanntlich bereits im Besitz der MEGB - wäre es höchst fahrlässig einen weiteren gastronomischen Großbetrieb am eher abgelegenen oberen Marktplatz anzusiedeln, wo dann eh keiner mehr hochlaufen würde, wenn er unten quasi von alleine schon anderswo reinstolpert.

Mit einer derart möglichen, unterschiedlich ausgerichteten gastronomischen Verdichtung am Marktplatz mit ehemals Krämer, Marktplatz 2 und/ oder 3, ehemals Böhler und der Kaffeerösterei könnte sich ein korrespondierender zweiter starker Pol im Spannungsverhältnis zur gastronomischen Verdichtung in der unteren Fußgängerzone um den Hospitalbrunnen bilden und Dynamik und Belebung in die Innenstadt bringen.

Vielfältige attraktive gastronomische Angebote in stimmigen Ambienten können in einer Zeit zunehmender Freizeit und Neigung zum Ausgehen eines ausreichend gegebenen solventen Klientels auch zusätzliche Nachfrage generieren, ohne daß es zu einem schädlichen Verdrängungswettbewerb kommen muss.

Wie sehr abwechslungsreiche Gastronomie Leben in eine Stadt bringen kann zeigen im Sommer u.a. die Marktplätze in Heppenheim und Lorsch oder auch die Altstadt von Zwingenberg mit Scheuergasse. Und da sitzen keineswegs überwiegend nur Heppenheimer, Lorscher und Zwingenberger.

Man muss das Rad nicht neu erfinden
Um den Bensheimer Marktplatz schon jetzt auf dem Veranstaltungssektor qualitativ zu „beleben“, muss man nicht zwanghaft das Rad neu erfinden, sondern zuerst mal in Bensheim bereits bestehendes in die Überlegungen einbeziehen und professionell kommunizieren.

So könnte der Marktplatz schon jetzt mit wiederkehrender und identitätsstiftender Nutzung noch sehr viel stärker auch mit Außenwirkung und Anziehungskraft über den lokalen Rahmen hinaus genutzt werden.

Da sind zunächst die exponierten und schon etablierten Platzhirsche Winzerfest und Weihnachtsmarkt gesetzt.

Warum nicht das bereits bestehende Jazzfestival im August auf den Marktplatz verlagern, statt derzeit kleinteilig irgendwie ungelenk und improvisiert wirkend an die Faktorei zu „quetschen“, was wie eine provisorische Verlegenheitslösung wirkt, statt ambientestarke Präsentation auf dem Marktplatz?

Warum nicht die diversen saisonalen Märkte, die sich bisher unter Auslassung des Marktplatzes nur durch die Fußgängerzone bis in die Zeller Straße ziehen, wie beim Weihnachtsmarkt in einem großen, geordneten Bogen auch über den Marktplatz ziehen?

Warum nicht beim Bürgerfest einen Schwerpunkt auf den Marktplatz verlagern, auch wenn die Tradition (Eröffnung der Fußgängerzone) eine andere ist? Warum an alten Zöpfen festhalten, wenn der Zeitgeist ein anderer ist? Der jetzige Veranstaltungsschwerpunkt in der unteren Hauptstraße am ehemaligen „Storchennest“ hat weder Ambiente noch Flair.

Warum nicht bei Mayway den Marktplatz als zentrale Anlaufstelle und Schwerpunkt-Open Air Bühne einbeziehen, etwa anstelle des vom Zentrum etwas abgelegenen Stadtpark?

Der werktägliche Wochenmarkt, das Marktfrühstück (eine sehr gute neue Initiative), das Glockenspiel und attraktive Museum, das man in Bensheim auf der kommunikativen Ebene noch sehr viel stärker in Szene setzen könnte, sind weitere Pfunde, mit denen man über den lokalen Rahmen hinaus wuchern kann.

Allein mit den hier aufgeführten Nutzungs- und Veranstaltungsmöglichkeiten ließe sich schon jetzt auch ohne abschließende Beschlussfassung für den oberen Marktplatz ein ganzjähriger Event-Kalender unter griffigem Slogan für den Marktplatz gestalten (Stadtmarketing), der über den lokalen Rahmen hinaus Aufmerksamkeit wecken und Publikum in die Innenstadt locken kann mit Synergien auch für den Einzelhandel und die Gastronomie.
Wer braucht da erst ein neues Haus am Markt?

Welche Lücke kann das unbebaute Areal am oberen Marktplatz mit Mehrwert für die Stadt füllen?

Der obere Marktplatz bietet sich an als kommunikativer Treff zu jeder Jahreszeit für alle Generationen mit vielfachen Nutzungsmöglichkeiten auch für kulturelle Angebote im Sommer, aber auch u.a. im Rahmen des Weihnachtsmarktes, die es in dieser Form in Bensheim bisher noch nicht gibt.

Der gedankliche, konzeptionelle Ansatz für einen solchen kommunikativen Treff, der im übrigen die ureigene Historie eines Marktplatzes in zeitgemäßer Form aufleben ließe, zielt darauf ab, im Sommer nach dem Motto „umsonst und draußen“ mit niederschwelligen kulturellen Angeboten der kleinen Form jenseits der Hochkultur oder lautstarker Großveranstaltungen Publikum in die Innenstadt zu locken. Abgerundet durch flexible, mobile Gastronomie und mögliche stimmungsvolle Illuminierung der St. Georg-Fassade und des gesamten Marktplatzes.

Welch eindrucksvolle Bilder und Atmosphäre eine solche Illuminierung bewirkt, hat 2020 u.a. der Live-Stream des Konzertes der Blütenweg Jazzer in St. Georg gezeigt im Rahmen der von Bergsträsser Veranstaltungstechnikern privat initiierten Illuminierung von wechselnden exponierten Gebäuden an der Bergstraße.

Dieser angedachte kommunikative Treff müsste von der Ausgestaltung multifunktional und von der Aufenthaltsqualität wertig und einladend so angelegt sein, daß er mit und ohne Kultur funktioniert, da nicht davon auszugehen ist, daß jeden Abend ein kultureller Programmpunkt angeboten werden kann, sondern eher am Wochenende oder bestimmten Fixtagen, die sich aus der Praxis heraus finden können.

Stimmige Verbindung aus angedeuteter Freilichtbühne und Grünanlage
Basis der Überlegungen, wie das baulich umgesetzt werden kann, ist zunächst der bauliche Stand, wie er im Moment jetzt schon gegeben ist:

Das sind die beiden seitlichen Zugänge zu St. Georg, die bestehende Front-Mauer, die sich optisch stimmig an die Fassade von St. Georg angleicht, und die davor liegende derzeit brache Fläche.

Die beiden die derzeit brache Fläche einrahmenden seitlichen Zugänge zu St. Georg wirken von unten aus betrachtet im übertragenen Sinne wie zwei ausgebreitete Arme, die eine gewisse Anziehungskraft haben und den Betrachter geradezu willkommen heißen und umarmen wollen.

In Verbindung mit der bereits bestehenden Mauer und der vorgelagerten Fläche ergibt sich ein arenaartiges Bild, das leicht eine Freilichtbühne assoziieren lässt.

Zwar ist die Mauer nicht gleichmäßig gerundet, wie eine Arena, sondern weist diverse Ecken und Kanten auf, was aber eher als belebendes Element wirkt, statt eintöniges Rund. Vor diesen weitgehend bereits bestehenden baulichen Voraussetzungen - mit Ausnahme des zu gestaltenden rechten Aufgangs Richtung Museum - ist gut vorstellbar, terrassiert einige wenige, optisch verträgliche Ränge mit Blickrichtung Brunnen einzuziehen als Sitzplätze bei Veranstaltungen und darüberhinaus. Weitere Besucherplätze (Steh-/ Mauerplätze) sind auch auf anderer Ebene oben hinter den umgebenden Mauern möglich, was die Atmosphäre bei Veranstaltungen verdichten würde.

Eine solch behutsame Terrassierung als Gestaltungselement nimmt architektonisch stimmig das generell ansteigende Gelände des Marktplatzes, wie die noch auf breiter Front bestehenden Treppen vor dem ehemaligen Haus am Markt auf und findet in den Stufen vor St. Georg einen stimmigen Abschluss.

Wenn man im Sommer auch an Abenden ohne kulturelles Programm neben der Nutzung von möglichen Stehtischen und Stühlen/ Sitzgarnituren auch légère beim Bier oder Wein auf den Rängen sitzen kann, sorgt diese Vielfalt und aufgelockerte Mischung an Sitz- und Kommunikationsmöglichkeiten für eine besondere Note.

Eine von mehreren denkbaren Varianten wäre im Sinne einer optischen Auflockerung die Möglichkeit, diese Terrassierung nicht durchgängig nur als Sitzränge zu gestalten, sondern die Sitzränge durch mehrere kleine Treppenzugänge sowie durch kleine terrassierte Grüninseln kleinteilig aufzulockern, sodaß der Blick von unten nicht nur auf Stein gerichtet ist. Auch eine teilweise Begrünung der verbleibenden Mauer mit Kletterpflanzen/ Reben ist ein mögliches Gestaltungselement.

Eine weitere Akzentuierung ließe sich auch durch unterschiedliche Materialien für Sitzränge und Treppen erreichen. Im Idealfall eine stimmige Symbiose aus angedeuteter Freilichtbühne und Grünanlage, durch die Terrassierung stimmig für die Bergstraße auch mit der Anmutung von Rebzeilen mit möglicher Bepflanzung der Grüninseln teilweise auch mit Weinreben.

Die Terrassierung mit Sitzrängen bietet ganzjährig auch ohne zusätzliche Möblierung Aufenthaltsqualität ohne Konsumzwang.

Eine solche zentrale Ruheinsel fehlt in Bensheim, seitdem es die „Anlage“ nicht mehr gibt (heute Beauner Platz). Der Stadtpark ist zu abgelegen. Daß der obere Marktplatz auch ohne Kultur schon jetzt eine gewisse Anziehungskraft als zwangloser Treff hat zeigt die gute Frequenz der dort bereits bestehenden Sitzbänke und Resonanz auf die zeitweise provisorischen Gastronomieangebote.

Standort, Größe und Ausrichtung von mobiler Bühne/ Spielfläche kann sehr flexibel je nach Größe und Art der Veranstaltung und des erwarteten Publikumszuspruchs auf der Fläche vor den Sitzrängen und sonstigen Möblierung/ Bestuhlung sein, oder deutlich verschoben auch außerhalb der Fläche auf dem Terrain des Marktplatzes bis vor dem Brunnen (etwa bei größeren Veranstaltungen wie gegebenenfalls etwa Mayway).

Soweit die Kellerräume des ehemaligen Hauses am Markt noch bestehen, wäre zu prüfen, ob sie als Funktions- und Lagerräume für Bühnentechnik, Bestuhlung, Gastronomie-Mobiliar und Künstlergarderoben ertüchtigt werden können.

Die Getränke-Bewirtschaftung bei Veranstaltungen könnte entweder von einem der am Marktplatz dann ansässigen Gastronomiebetriebe mit einer möglichen mobilen Außenstelle übernommen werden oder von Vereinen und/ oder Winzern, möglicherweise auch wechselnd. Das würde auch ein niedriges Preisniveau erlauben, das ein Gastronom mit anderer Kostenstruktur nicht bieten kann. Auch über die Preise zieht man Publikum.

Bensheim ist Weinstadt und hat dadurch Alleinstellungsmerkmale, die gerade auch auf dem Marktplatz als kommunikativer Treff dauerhaft oder zu bestimmten Anlässen angemessen und identitätsstiftend mit Außenwirkung präsentiert werden sollten, wie derzeit schon gelegentlich mit Weingarten.

Alles kann nichts muss ...
Die kulturellen Angebote vor allem musikalischer Art, vorzugsweise akustische Musik - kein lautstarker Rock/ Pop oder Partymusik mit wummernden Bässe -, aber u.a. auch Crossover, populäre Klassik, Comedy, Kleinkunst, Kabarett, Poetry Slam, Offene Bühne könnten auch von lokalen Künstlern und aus der Region getragen werden, die damit zugleich sinnvoll gefördert würden. Da ließe sich sicher auch die Musikschule einbringen, deren Lehrer auch in diversen Bands und Ensembles spielen.

Spezielle Themen- und Präsentationstage sind denkbar neben der Musikschule etwa von Schulen mit ihren Chören, Bigbands und sonstigen Ensembles oder von Vereinen, die alle hier in einem sehr attraktiven und unkonventionellen Umfeld neue Präsentationsmöglichkeiten hätten und auch neue Publikumsschichten finden könnten, die sie sonst nicht erreichen.

Sonntags wären im Sommer Jazzfrühschoppen denkbar (eine der Marktlücken in Bensheim).

Die kulturelle Programmgestaltung sollte sich nach dem Motto „Alles kann, nichts muss“ zunächst sehr behutsam und organisch Zug um Zug mit den Erfahrungswerten in der Praxis entwickeln, einhergehend mit einer gewissen zuverlässigen künstlerischen Handschrift und professionellen Kommunikation, die das Publikum mitnimmt, sodaß der obere Marktplatz auch kulturell mit Außenwirkung zu einer starken Marke mit Niveau für Bensheim werden kann.

Die kulturellen Angebote der ungezwungenen Art müssten auch ein Kommen und Gehen des Publikums erlauben und damit ohne Schwellenangst auch sonst eher kulturferne Kreise anziehen können, die einfach mal unauffällig reinschnuppern könnten.

Ein solch kommunikativer Treff auf niederschwelliger Basis, sowohl was das Kulturangebot betrifft („umsonst und draußen“/ „Kommen und Gehen“), als auch das preisgünstige kleine Gastronomieangebot, hätte auch eine soziale Komponente.

Gerade Familien, deren Wohnsituation ohne Grünanbindung ist, ließen sich bei zunehmender Freizeit und Bewegungsdrang bei solch niederschwelligen Angeboten sicher zu einem Bummel in die Innenstadt bewegen.

Viele Familien können sich von der wirtschaftlichen Seite nicht erlauben, im Sommer jeden Abend in einem Biergarten bzw. der innerstädtischen Außengastronomie zu verbringen, aber vielleicht eher mal für kleines Geld in Gesellschaft und kulturellem Umfeld zu einem Drink den Marktplatz zu besuchen.

Die entsprechende Aufenthaltsqualität abseits kultureller Veranstaltungen ließe sich mit weiterer Begrünung unterstützen, im Rahmen dessen, was an dieser Stelle wegen des Untergrundes möglich ist, gegebenenfalls auch mit großen verschiebbaren Kübeln, die je nach Veranstaltung auch flexibel positioniert werden könnten.

Bei entsprechenden Erfahrungswerten in der Anlaufphase ließe sich das kulturelle Angebot im Sommer über die Veranstaltungen „umsonst und draußen“ auch erweitern mit Veranstaltungen in geschlossener Form gegen Eintritt mit Vorverkauf bei einer denkbaren Besucherkapazität von ca. 300.

Ein Kultursommer, den es in vielen anderen Städten längst gibt und zur Identität zählt, würde Bensheim gut anstehen, zumal im Sommer eine erhebliche Lücke klafft, seitdem wir uns von den langjährigen Freilichtspielstätten Schloß Auerbach (1991 – 2000) und Fürstenlager (2001 – 2011) zurückgezogen haben, wo wir in Spitzenzeiten über 30 Veranstaltungen mit rund 10.000 Besuchern im Sommer hatten.

Winzerdorf und Weihnachtsmarkt
Eine derartige multifunktionale Gestaltung des oberen Marktplatzes ohne neues Gebäude würde u.a. auch dem Winzerdorf oder Weihnachtsmarkt vorteilhaft mehr Raum und Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen.

Für das Winzerdorf bietet sich die Überlegung an, die Tanzfläche mit Live-Musik auf den oberen Marktplatz zu verlegen, sodaß sich der Lärmpegel im Winzerdorf wohltuend senken lässt und bessere Kommunikationsmöglichkeit gegeben ist. Die terrassierten Sitzränge würden sich als willkommene temporäre Sitzgelegenheit für Flaneure anbieten, die keinen festen Buchtenplatz haben.

Kleiner Festplatz und Eislauffläche
Beim Weihnachtsmarkt, wie auch bei verkaufsoffenen Sonntagen, Night-Shopping und den diversen Märkten bietet sich der obere Marktplatz auch als kleiner innerstädtischer Festplatz an z.B. mit einem historischen Karussell, das sich wunderbar in das Marktplatz-Ambiente einfügen würde.

In den Wintermonaten über den Weihnachtsmarkt hinaus wäre auf der ebenen Fläche eine kleine Eislauffläche denkbar (weitere Marktlücke in Bensheim) und sicher ein einzigartiger Besuchermagnet für die Innenstadt und belebender Faktor für den Einzelhandel und die Gastronomie.

Tags für die Kids, während Eltern in der Innenstadt einkaufen und abends unter Flutlicht mit Effekten für die Innenstadtgastronomie. Auch bei einer solchen Nutzung der Fläche erfüllen die terrassierten Ränge als willkommene Sitzgelegenheit ihren ganzjährigen Sinn und Zweck.

Solche Flächen zum Schlittschuhlaufen gibt es unabhängig von Jahreszeit und Außentemperatur ohne notwendiges physiches Eis und ohne hohen Energieaufwand auf Kunststoffbasis auch temporär von einem Schweizer Hersteller zu mieten.

Auch über eine Open air Silvesterparty („Silvester on Ice“ ) mit Digitalfeuerwerk auf der Fassade von St. Georg kann man nachdenken, wie sie vor einigen Jahren am Hospitalbrunnen angeboten wurde.

Weitere Nutzungsmöglichkeiten: Open air Kino, Public Viewing, Freilichtgottesdienste und Prozessions-(End)-Station an Fronleichnam?

Weitere Nutzungsmöglichkeiten werden sich sicher über die rege Bensheimer Vereinsszene ergeben, wenn der obere Marktplatz erstmal entsprechend wertig gestaltet ist mit einer schlanken Veranstaltungsinfrastruktur (u.a. Anschlüsse für Licht, Ton, Flutlicht Eislaufbahn).

Weitere Nutzungsmöglichkeiten: Exponierte innerstädtische Fläche für Präsentation und Ausschank im Rahmen von Bergsträßer Weinfrühling und Weinherbst. Zentrale Anlaufstelle bei der traditionellen Mailagenwanderung am 1. Mai mit Start der Jazzfrühschoppen-Saison.

Weiterhin temporär Freilichtgalerie/ offenes Atelier für die rege Bensheimer Künstlerszene.

Überfälliger Jugendtreff
Treffpunkt in geordnetem Rahmen für Jugendliche, der in Bensheim fehlt und schon lange immer wieder reklamiert wird. Seitens von Jugendlichen ist immer wieder etwa auf den entsprechenden Seiten BANANE des Bergsträßer Anzeiger gerade der obere Marktplatz als wünschenswert ins Gespräch gebracht worden, wie er auch jetzt schon oft als Anlauf- und Treffpunkt zu beobachten ist, was für das Potential spricht.

Ein solcher zentraler Jugendtreff in der Innenstadt, der ganzjährig generationenübergreifend auch anderweitig vielfältig genutzt wird, bietet zugleich die Chance, hier einen Ort zu schaffen, der Generationen zusammenführt.

Zugleich ging in dieser exponierten Innenstadtlage gewissermaßen unter dem Auge der Öffentlichkeit per se eine gewisse soziale Obhut einher, die andere unkontrollierte „wilde“ Treffpunkte mit möglichen unliebsamen Begleiterscheinungen nicht haben können.

Ergänzend zu den vielfältigen Möglichkeiten kann darüber nachgedacht werden, inwieweit ein kleiner Kinderspielplatz in der Lücke am nördlichen Markplatz etwa im Bereich vor der Mauer ehemals Böhler eingerichtet werden kann. Stimmig mit Rücksicht auf das historische Ambiente mit wertigen Spielgeräten ausschließlich in Holzbauweise.

Weiche Standortfaktoren
Die aufgezeigten möglichen ganz unterschiedlichen sinn- und identitätsstiftenden Nutzungsmöglichkeiten zu allen Jahreszeiten und für alle Generationen zählen zu den sogenannten „weichen“ Standortfaktoren einer Stadt mit Potential für Außenwirkung über die Stadtgesellschaft hinaus. Solche vielfältige „weiche“ Standortfaktoren setzen Reize für eine längere Aufenthaltsdauer in der Innenstadt und können somit auch Effekte für Einzelhandel und Gastronomie bewirken.

Offene Flanke Richtung Museum – architektonisch innovative Herausforderung
Baulich neu zu gestalten ist die derzeit offene Flanke Richtung Museum als südliche Begrenzung des Areals. Hier bietet sich die Überlegung für eine etwas spektakulär anmutende Variante an.

Zum einen wäre - auch in den steilen Anstieg teilweise unterirdisch hinein „versteckt“ - korrespondierend zur Mauer auf der Nord-Seite begrenzend ein schlankes Gebäude denkbar, das als kleine Basis mit Kühl-, Spül- und Lagermöglichkeiten für die Getränkebewirtschaftung dient, an der Front etwa kioskartig mit kleiner Getränkeausgabe bei schlankem Personalaufwand in Selbstbedienung. Eine solche kleine Basis für Getränkeausschank wäre ein logistischer Gewinn und erübrigt ständige mobile Auf- und Abbauten von Buden oder Zelten für die Bewirtschaftung bei Veranstaltungen.

Weiterhin Raum für öffentliche Toilettenanlage.

Vor allen Dingen aber bietet sich die Chance, das hervorragend geführte Museum auch mit den wechselnden Ausstellungen, sehr viel stärker im Stadtbild und Bewusstsein zu exponieren, als das derzeit der Fall ist.

Das Museum ist mit Abstand das unauffälligste, unscheinbarste und unbekannteste Gebäude am Marktplatz. Es sind nicht mal Hinweisschilder irgendwo in der Stadt erinnerlich, sodaß es derzeit vor allem auch bei auswärtigen Besuchern völlig außen vorbleibt.

Es bietet sich an, im vorderen Teil eines solchen schlanken neuen Gebäudes einen neuen spektakulären Zugang zum Museum zu gestalten etwa mit einem gläsernen Kubus als kleinem Portikus - eventuell in Korrespondenz zu den dominanten Kirchtürmen auch leicht turmartig angedeutet mit Stahl- oder Holzkonstruktion mit Verweis auf das Marktplatz-Fachwerk -, der auch gut vom unteren Marktplatz und der Fußgängerzone ins Auge springt, und der dann durch einen kleinen, schlanken Tunnel (launiger Querverweis auf die Stadtgeschichte „unnerum/ hinnerum wie die Fraa von Bensem“) durch den Hang ins Erdgeschoß als neues Entrée des Museums führt.

Ein solch gläserner Kubus/ Portikus, der abends auch von innen beleuchtet werden kann könnte ein absoluter Hingucker sein, der über das Museum hinaus generell die Aufmerksamkeit auf den oberen Marktplatz zieht und sinnbildlich als kultureller Leuchtturm und für bürgerschaftliches Bewusstsein in der Stadt stehen kann. Eine spannende Herausforderung für innovative Architekten.

Eine derartige, unkonventionell und etwas spektakulär anmutende verträgliche bauliche Ergänzung würde zugleich vorteilhaft den Blick auf das Parkhaus im Hintergrund verdecken.

Im Zusammenspiel mit den ganzjährig vielfältig aufgezeigten Nutzungsmöglichkeiten des oberen Marktplatzes bieten sich für das Museum auch entsprechend unkonventionelle Öffnungszeiten an (in anderen Städten gibt es sehr erfolgreich etwa die „Nacht der Museen“).

Wer die Innenstadt nachhaltig sinn- und identitätsstiftend beleben will, braucht Mut zu unkonventionellen Ideen und Entscheidungen.

Bei der derzeitigen veröffentlichten Ideenlage ist nicht erkennbar, welchen nachhaltigen Mehrwert ein wie auch immer geartetes und genutztes neues Gebäude am oberen Marktplatz für die Stadtgesellschaft haben soll.

Als Architekt wüsste ich gar nicht, was ich planen soll, wenn die Nutzung und der Zweck des Gebäudes nicht vorgegeben ist.

Gibt es in Bensheim nicht Leerstände genug?

Was spricht dagegen, die gestalterische Herausforderung zunächst in der aufgezeigten Weise mutig anzugehen. Bauen kann man später bei Scheitern immer noch.

Letztlich ist es eine Frage der Abwägung: Worin liegt der größere Mehrwert? Ein Gebäude, für welche Nutzung auch immer, kann man auch an anderer Stelle bauen.

Die vielfältig aufgezeigten Nutzungsmöglichkeiten bei einer O-Bebauung sind an anderer Stelle in der Qualität und Wirkung für eine Innenstadtbelebung so nicht möglich.

Der große Wurf auf dem Hoffartgelände
Wer bauen will, sollte sich eher mit dem Hoffart-Gelände befassen. Hier bietet sich die wohl allerletzte Chance bei einem möglichen Gebäude in kommunaler Trägerschaft doch noch ein überfällig, angemessen großes Foyer bei Anbindung an das Parktheater zu realisieren. Das viel zu kleine untere Foyer hat nie den Ansprüchen genügt – so groß ist anderswo allein die Pförtnerloge – und schon gar nicht genügt es in der heutigen Zeit den erwarteten Standards und Ansprüchen eines Ausgehpublikums.

Sinnstiftend könnte durchaus die Verbindung von Bibliothek und Theater sein mit einem kleinen tags betrieben Theater- und Bibliotheks-Cafe.

Das Parktheater könnte von einer solchen Verbindung nur profitieren und es würde der Stadt als Sitz der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste nur allzu gut anstehen. I

Im oberen Geschoß vielleicht vorausschauend in zukunftssicheren neuen Räumen die Musikschule umsiedeln, bevor der derzeitige Altbau in der Hauptstraße ein Thema wird. Gegebenenfalls oben auch Räume für Vereine oder Büros der Verwaltung.

Ein solch kraftvoller, in die Zukunft gerichteter Akkord Theater, Bibliothek und Musikschule an einem Ort wäre ein nachhaltiges kulturelles Ausrufezeichen. Abgesehen vom Ansehen und Image der Stadt mit Außenwirkung, auch mit Strahlkraft und Synergien für die Innenstadtbelebung.

Einhergehend wäre zu überlegen, die Promenadenstraße zugunsten eines großzügigen gemeinsamen Entrées zu diesem neuen Gebäudeensemble und zugunsten von vorteilhaften Kurzzeitparkplätzen für den Durchgangsverkehr zu schließen. Kurzzeitparkplätze machen Sinn für Bibliotheksnutzer und den Fahrdienst von Eltern von Musikschulkindern, sowie Taxis bei Veranstaltungen im Theater. Eventuell wäre auch eine zweite Zu- und Ausfahrt für die Tiefgarage in der vorderen Promendanstraße neu zu schaffen.

In der Gesamtabwägung aller hier aufgezeigten Aspekte für Marktplatz und Hoffartgelände könnte eine solch mutige, in die Zukunft gerichtete Entscheidungsfindung im Paket als Gebot der Vernunft und Wirtschaftlichkeit ein großer Wurf werden, der mehrere Problemfelder auf einmal abräumt und auf große Akzeptanz in der Bürgerschaft treffen dürfte (im Gegensatz zu manch anderem Thema).

Freilichtspielstätte vor St. Georg
Kultur auf einer völlig anderen Ebene ist auch - wieder - vor der imposanten Kulisse von St. Georg auf der Fläche vor den Eingangsportalen denkbar und würde in Bensheim eine alte Tradition aufleben lassen.

Schon in den 1950er Jahren hat es dort eindrucksvolle monumentale Freilichtinszenierungen gegeben auch unter Einbeziehung des Kirchenraumes etwa mit Orgelspiel. Eine Wiederbelebung kann eine weitere Lücke füllen auch mit großer Außenwirkung für Bensheim, denn allein die Kulisse mit der damit verbundenen Atmosphäre ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.

Zielrichtung ist, wieder Freilichtaufführung vor St. Georg identitätsstiftend mit lokalen Kräften zu gestalten. Im Genre Schauspiel käme da potentiell etwa das lokale Vornerum-Theater in Frage, wegen der Größe der Aufgabe eventuell auch in Kooperation etwa mit dem Pipapo oder Theater MOBILE Zwingenberg und anderen regionalen Kräften.

Beispielhaft gibt es so etwas identitätsstiftend seit Jahren mit großer Resonanz etwa vor dem historischen Rathaus in Michelstadt mit einheimischen Kräften.

Auch im Genre Oper hat es in Bensheim im Parktheater und Fürstenlager schon Eigenproduktionen gegeben mit dem Collegium Musicum als Orchester/ Bühnenbild Siggi Speckhardt. Warum nicht auch mal vor St. Georg?

„Tausend Jahre wie ein Tag“ von Leonie Meurin in der Inszenierung von August-Heinrich Becker 1954 vor der imposanten Kulisse von St. Georg.


Auch Bensheimer Chöre und Ballettstudios und –schulen, die sonst im Parktheater regelmäßig auftreten, hätten hier eine hervorragende Auftrittsmöglichkeit und etwas größer angelegte Veranstaltungen im Rahmen des Jazzfestivals etwa mit einer Big Band oder Big Band Battle u.a. mit den verschiedenen Schul-Big Bands.

Eine derartige Konzentration etwa in einem Sommer (Platzhalter für einen zu findenden schlagkräftigen Namen „Bensheimer Sommer“) von Veranstaltungen ganz verschiedener Genres – Schauspiel, Oper, Chormusik, Ballett, Big Band Jazz - ausschließlich mit lokalen Kräften, die zugleich Multiplikatoren wären, hätte einen in hohem Maße identitätsstiftenden kulturellen Wert, mit dem Bensheim sich auch über den lokalen Rahmen hinaus nachhaltig als Kulturstadt auf allen Ebenen positionieren könnte.

Wo gäbe es so etwas in dieser Verdichtung sonst noch? Alleinstellungsmerkmal auf „bensheimich“!

Eine solche Nutzung als Freilichtspielstätte bedarf natürlich einer gewissen temporären Veranstaltungs-Infrastruktur und Logistik mit Bestuhlung/ Tribüne, Lichtanlage usw.; das bedarf professioneller Hilfestellung und externer Finanzierung, das ist von Amateuren nicht alleine zu stemmen.

Und wenn nicht jedes Jahr, dann auch alle 2 oder 3 Jahren etwa im Turnus mit den Opern-Open-Air-Konzerten im Fürstenlager denkbar, dann ist umso mehr der Reiz des Besonderen gegeben und die Anziehungskraft größer.

Wenn man mal alle Kulturschaffenden und -interessierten von Bensheim (und Umgebung) an einen Tisch bitten würde, würde das sicher noch sehr viel mehr Ideen zutage fördern.

Pulsierendes Leben wie auf einer italienischen Piazza
Bei den bisher aufgezeigten Möglichkeiten im Sommer mit Außengastronomie am unteren Marktplatz um den Marktbrunnen, Kultur und kommunikativer Treff am oberen Marktplatz, bedarf es nicht viel Fantasie, sich im Idealfall im Sommer in der Bensheimer Innenstadt pulsierendes Leben wie auf einer italienischen Piazza vorzustellen: „Mediterranisierung“ betont „bensheimisch“ im verträglichen Kleinformat.

Auch die Bensheimer Brunnen, die sich wie eine Kette durch die Innenstadt ziehen, lassen sich mit Aufenthaltsqualität und gastronomischer Anbindung stärker thematisieren (Stadtmarketing).

Abschlußbemerkung
Die sogenannten weichen Standortfaktoren wie Kultur, Gastronomie, Wein, Landschaft/ Natur, Ambiente und Flair, die Bensheim hat oder/ und noch stärker ausbauen könnte, sind emotional aufgeladen und setzen daher sehr direkte Reize, die sich mit all den Synergien auch positiv auf das Image einer Stadt als Einkaufsstadt auswirken können.

Wer mit Kultur nach außen ein freundliches Gesicht zeigt, bewirkt auch Symphatien als Einkaufsstadt etwa unter dem Motto „In Bensheim immer was los“.

Synergien könnte auch das Parktheater freisetzen, wenn man - was die städtischen Abo-Reihen betrifft - es stärker als Marke mit einer betont eigenen künstlerischen Handschrift führen würde. Als einziges Bespieltheater im Kreis Bergstraße und darüberhinaus ließe sich bei einem ambitionierten eigenen künstlerischen Profil auch mit Außenwirkung in die Metropolregionen mehr Resonanz und Auslastung erzielen, eben auch mit Auswirkungen auf die Gastronomie und die Geschäftswelt.

Über das Parktheater hinaus bietet die vielfältige Bensheimer Kulturszene – städtisch, wie privat oder von Vereinen getragen – schon jetzt Potential, daß sich die Stadt sehr viel stärker als Kulturstadt mit Außenwirkung präsentieren könnte, wenn alles, was die Stadt und Szene zu bieten hat kompetent gebündelt und gut koordiniert und motiviert professionell nach außen kommuniziert würde.

Auf dem Niveau von amtlichen Bekanntmachungen lässt sich keine wirksame Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Kultur- und Veranstaltungsbereich machen. Wer nicht brennt, kann auch kein Feuer entfachen.

Das erfordert zunächst auf der politischen Ebene ein gewisses Bewußtsein, welch umfassenden Stellenwert Kultur für eine Stadt haben kann – nach innen, wie nach außen.

Der erste, abwehrende Reflex auf kommunaler Ebene ist oft die Frage „Was kostet das, wer soll das bezahlen?“

Die richtige Fragestellung wäre eher, was bringt uns das - nach innen, wie nach außen - und auf was könnte man vielleicht eher verzichten?

Der Ansatz, Bensheim „Stadt der Blüten und des Weines“, Theater- und Kulturstadt = Ausgehstadt kann Bensheim ganz organisch auch als Einkaufsstadt stärker ins Bewusstsein rücken und auf diesem Wege „sanft“ die gewünschte Belebung der Innenstadt und Stärkung des verbliebenen Einzelhandels unterstützen, ohne daß es dazu am oberen Marktplatz mehr Beton bedarf.

Bensheim im April 2021 / Update 18. Mai 2022 / 2. Update 12./15. September 2023

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